IGEB
DB-Trassenpreisinflation
„Trassenpreissystem 2001 – gültige Preise ab 01.01.2004“. So harmlos
klingend kommt die nächste Preisrunde der DB Netz AG daher.
Während durch die Einführung von so genannten Regionalfaktoren die
Trassenpreise auf Nebenstrecken bereits zum 1. Januar 2003 zum Teil
drastisch erhöht worden waren (siehe Signal 3/2002; Seite 34), trifft es
diesmal vor allem Hauptbahnen und die S-Bahnen in Berlin und Hamburg.
Mit dem Trassenpreis sollen die Aufwendungen des Eigentümers der Strecke
(hier: DB AG) für den laufenden Betrieb sowie den Unterhalt der Strecke
abgegolten werden. Nicht im Trassenpreis enthalten sind Traktionsenergie
sowie Stationsgebühren (ein Zughalt in Greifswald kostet 16,56 Euro).
Der jeweilige Trassenpreis richtet sich nach Streckenkategorie und
Auslastung sowie der Art des Verkehrs (Trassenprodukt; für Taktverkehre
werden in der Regel 65 Prozent mehr berechnet). Die Grundpreise für jeden
auf einer Fernstrecke zurückgelegten Zugkilometer werden in fünf der sechs
bisherigen Streckenkategorien angehoben und nur in einem Fall leicht
reduziert.
Köln – Frankfurt am Main: + 145,56 Prozent!
Besonders teuer wird die Trasse der Neubaustrecke von Köln nach Frankfurt am
Main. Für diese Strecke wurde die neue Streckenkategorie „F plus“ erfunden,
während die neue Strecke bisher zur Kategorie F1 gehörte. Die Bezeichnung
„Plus“ ist wörtlich zu verstehen: Der Grundpreis je Zugkilometer steigt
dadurch nämlich um genau 145,56 Prozent von bisher 3,38 Euro auf 8,30 Euro –
für einen im Taktverkehr fahrenden ICE erhöht sich der Trassenpreis demnach
von etwa 5,58 Euro auf rund 13,70 Euro je Kilometer (ohne evtl. zusätzlich
anfallenden Auslastungsfaktor von 20 % wegen hoher Streckenbelastung).
Diese Preiserhöhung ist wohl dem politischen Druck geschuldet, der den
Eingang der Baukosten für die Kursbuchstrecke 472 mit den Unterwegshalten
Siegburg/Bonn, Montabaur und Limburg Süd in die Preisbildung verlangte.
Wird berücksichtigt, dass ein Zugkilometer im Taktverkehr von Aue (Sachsen)
nach Johanngeorgenstadt im Erzgebirge „dank“ des hier seit 1. Januar 2003
fälligen Regionalfaktors von 2,45 (das entsprach einer Preiserhöhung von
ebenfalls 145 Prozent) mit immerhin 8,57 Euro berechnet wird, erscheinen
13,70 Euro für die Neubaustrecke allerdings keineswegs als zu hoch. Es wird
jedoch deutlich, dass die Eisenbahn unter dem Zwang, als einziges
Verkehrsmittel in Deutschland die Infrastrukturkosten selbst erwirtschaften
zu müssen, keine Chance haben wird, aus ihrem verkehrspolitisch gewollten
Schattendasein herauszufahren.
Gleichstrom-S-Bahnen in Berlin und Hamburg: + 41,2 Prozent!
Mit drastischen Erhöhungen der von ihnen an die DB Netz AG zu zahlenden
Trassenpreise werden auch die mit Gleichstrom betriebenen S-Bahnen in Berlin
und Hamburg konfrontiert werden. Während bisher alle S-Bahn-Strecken in
Deutschland unter die Kategorie S1 (Grundpreis bisher 1,48 Euro; ab 2004
1,46 Euro) fielen, wird für diese beiden S-Bahnen ab 2004 die neue Kategorie
S2 eingeführt. Dadurch steigt der Grundpreis von 1,48 Euro um 41,2 Prozent
auf 2,09 Euro je Kilometer. Der Trassenpreis für einen Kilometer S-Bahn im
Takt steigt dadurch von bisher rund 2,44 Euro auf fast 3,45 Euro. Für die
Hamburger S-Bahn entspricht dies bei einer Leistung von etwa 10 Millionen
Zugkilometern im Jahr einer Mehrbelastung von rund 10 Millionen Euro.
Für die Berliner S-Bahn erwartet die IGEB z.B. bei der etwa 24 Kilometer
langen S-Bahn-Linie 3 (Berlin Ostbahnhof – Erkner) eine
Trassenpreisverteuerung um jährlich mehr als 1.800.000 Euro und schätzt für
das Gesamtnetz eine Mehrbelastung von jährlich etwa 30 Millionen Euro.
Was bedeutet das für die Fahrgäste?
Was geht die Fahrgäste das alles eigentlich an, wird sich der/die geneigte
Leser/in nach allen diesen vielen Zahlen vielleicht fragen. Alles wird
schließlich teurer, und bei den drastischen Preissprüngen bezüglich der
Neubaustrecke und der S-Bahnen in Berlin und Hamburg geht es doch eigentlich
„nur“ um Verrechnungen zwischen gelegentlich wechselnden Konzerntöchtern der
Deutschen Bahn AG. Zudem gilt das Netz allgemein als unterfinanziert und
daher sind Trassenpreisanhebungen doch nur logisch und für den Erhalt des
Eisenbahnnetzes sogar zu begrüßen.
Es ist jedoch anzunehmen, dass die von den Trassenpreiserhöhungen in erster
Linie betroffenen Konzerntöchter die Verschlechterung ihrer Gewinnsituation
nicht einfach hinnehmen werden. Sie haben keine Chance, gegenüber der DB
Netz AG niedrigere Trassenpreise durchzusetzen und werden sich daher
anderweitig um Ergebnisverbesserungen bemühen.
Höhere Preise und weniger Züge im Fernverkehr?
Für das auf der Neubaustrecke von Köln nach Frankfurt am Main fahrende
Unternehmen der DB AG liegt es zum Beispiel nahe, seine Preissteigerungen in
Form von Fahrpreiserhöhungen an die Fernverkehrskunden durchzureichen.
Soweit das wegen der bekannt hohen Preissensibilität der Fernverkehrskunden
nicht gelingt, können alternativ auch Zugleistungen auf dieser Strecke
kritisch überprüft und notfalls zusammengestrichen werden.
Höhere Preise und weniger Personal bei den S-Bahnen?
Dieser Weg, ihre Mehrbelastungen über Fahrpreiserhöhungen oder
Zugstreichungen an die Kundschaft weiterzugeben, ist den S-Bahnen in Berlin
und Hamburg versperrt. Sie sind in die jeweiligen Tarifverbünde eingebunden
und können ihre Fahrpreise nicht alleine erhöhen. Wenn sich also die
S-Bahnen in Berlin und Hamburg im Rahmen ihrer Verbünde demnächst für
deutliche Tariferhöhungen aussprechen, wäre dies keine Überraschung, sondern
eine logische Konsequenz.
Zugstreichungen durch die Verkehrsbetriebe scheiden dagegen bei den S-Bahnen
aus, weil hier, anders als beim eigenwirtschaftlichen Fernverkehr,
gemeinwirtschaftliche Leistungen erbracht werden, für deren Umfang und
Bezahlung die so genannten Aufgabenträger zuständig sind, also einerseits
die Länder Berlin und Brandenburg, andererseits die Länder Hamburg,
Schleswig-Holstein und Niedersachsen, die ihre Bestellungen aus den
Regionalisierungsmitteln des Bundes finanzieren.
Allerdings darf mit der Auflage von betrieblichen Kostensenkungsprogrammen
gerechnet werden. In Berlin gibt es dafür politische Rückendeckung vom
zuständigen Verkehrssenator Peter Strieder, der die Bahnsteigaufsichten als
Sparpotenzial ausgemacht hat.
Ist das Trassenpreissystem der Deutschen Bahn AG nachvollziehbar?
Die DB Netz AG kann sich bei der Ermittlung ihrer Trassenpreise auf eine
solide Datenbasis stützen. Sie kennt die Zahl ihrer Mitarbeiter/innen und
die Baukosten jeder einzelnen Bahnstrecke. Sie kennt die Zahl und den
aktuellen Standard ihrer Stellwerke, sie hat das Wissen über Brücken,
Tunnel, Weichen, Schranken, Signale. Daher kann die Berechnung
kostendeckender Trassenpreise für jede einzelne Bahnstrecke für sie
eigentlich keine unüberwindliche Hürde sein.
Deshalb fragt man sich verwundert, ja misstrauisch, warum die DB Netz AG
jetzt plötzlich feststellt, dass ihre doch sicherlich schon bisher
durchkalkulierten Trassenpreise bei den S-Bahnen in Berlin und Hamburg ohne
erkennbaren sachlichen Anlass um mehr als 40 Prozent steigen müssen? Und wie
kommt es, dass sich für diese beiden trotz der Gemeinsamkeit des
Gleichstrombetriebes doch so unterschiedlichen S-Bahn-Betriebe auf den Cent
genau derselbe Trassenpreis ergibt?
Vielleicht sollte sich das Land Berlin, dass zurzeit versucht, die S-Bahn
GmbH zur Erbringung unveränderter Leistungen für erheblich weniger Geld zu
zwingen, zunächst einmal mit DB Netzt über Höhe und Struktur der
Trassenpreise unterhalten. Denn das ist ein Kostenfaktor, den im Falle der
vom Land Berlin für die Zukunft angekündigten Ausschreibung des
S-Bahn-Betriebes jeder Bewerber als unabänderliche Vorgabe einzukalkulieren
hätte. Nur das Land als Besteller hat die Möglichkeit, aber auch die
Pflicht, nachzufragen, ob die DB Netz AG das Zustandekommen der
Trassenpreise für die Berliner S-Bahn und insbesondere die extreme
Steigerung überzeugend darlegen kann.