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© GVE 3/2003
Th. Billik
Zeitschrift SIGNAL
SIGNAL-Ausgaben 04/2003
IGEB
DB-Trassenpreisinflation

„Trassenpreissystem 2001 – gültige Preise ab 01.01.2004“. So harmlos klingend kommt die nächste Preisrunde der DB Netz AG daher.

Während durch die Einführung von so genannten Regionalfaktoren die Trassenpreise auf Nebenstrecken bereits zum 1. Januar 2003 zum Teil drastisch erhöht worden waren (siehe Signal 3/2002; Seite 34), trifft es diesmal vor allem Hauptbahnen und die S-Bahnen in Berlin und Hamburg.

Mit dem Trassenpreis sollen die Aufwendungen des Eigentümers der Strecke (hier: DB AG) für den laufenden Betrieb sowie den Unterhalt der Strecke abgegolten werden. Nicht im Trassenpreis enthalten sind Traktionsenergie sowie Stationsgebühren (ein Zughalt in Greifswald kostet 16,56 Euro).

Der jeweilige Trassenpreis richtet sich nach Streckenkategorie und Auslastung sowie der Art des Verkehrs (Trassenprodukt; für Taktverkehre werden in der Regel 65 Prozent mehr berechnet). Die Grundpreise für jeden auf einer Fernstrecke zurückgelegten Zugkilometer werden in fünf der sechs bisherigen Streckenkategorien angehoben und nur in einem Fall leicht reduziert.

Köln – Frankfurt am Main: + 145,56 Prozent!

Besonders teuer wird die Trasse der Neubaustrecke von Köln nach Frankfurt am Main. Für diese Strecke wurde die neue Streckenkategorie „F plus“ erfunden, während die neue Strecke bisher zur Kategorie F1 gehörte. Die Bezeichnung „Plus“ ist wörtlich zu verstehen: Der Grundpreis je Zugkilometer steigt dadurch nämlich um genau 145,56 Prozent von bisher 3,38 Euro auf 8,30 Euro – für einen im Taktverkehr fahrenden ICE erhöht sich der Trassenpreis demnach von etwa 5,58 Euro auf rund 13,70 Euro je Kilometer (ohne evtl. zusätzlich anfallenden Auslastungsfaktor von 20 % wegen hoher Streckenbelastung).

Diese Preiserhöhung ist wohl dem politischen Druck geschuldet, der den Eingang der Baukosten für die Kursbuchstrecke 472 mit den Unterwegshalten Siegburg/Bonn, Montabaur und Limburg Süd in die Preisbildung verlangte.

Wird berücksichtigt, dass ein Zugkilometer im Taktverkehr von Aue (Sachsen) nach Johanngeorgenstadt im Erzgebirge „dank“ des hier seit 1. Januar 2003 fälligen Regionalfaktors von 2,45 (das entsprach einer Preiserhöhung von ebenfalls 145 Prozent) mit immerhin 8,57 Euro berechnet wird, erscheinen 13,70 Euro für die Neubaustrecke allerdings keineswegs als zu hoch. Es wird jedoch deutlich, dass die Eisenbahn unter dem Zwang, als einziges Verkehrsmittel in Deutschland die Infrastrukturkosten selbst erwirtschaften zu müssen, keine Chance haben wird, aus ihrem verkehrspolitisch gewollten Schattendasein herauszufahren.

Gleichstrom-S-Bahnen in Berlin und Hamburg: + 41,2 Prozent!

Mit drastischen Erhöhungen der von ihnen an die DB Netz AG zu zahlenden Trassenpreise werden auch die mit Gleichstrom betriebenen S-Bahnen in Berlin und Hamburg konfrontiert werden. Während bisher alle S-Bahn-Strecken in Deutschland unter die Kategorie S1 (Grundpreis bisher 1,48 Euro; ab 2004 1,46 Euro) fielen, wird für diese beiden S-Bahnen ab 2004 die neue Kategorie S2 eingeführt. Dadurch steigt der Grundpreis von 1,48 Euro um 41,2 Prozent auf 2,09 Euro je Kilometer. Der Trassenpreis für einen Kilometer S-Bahn im Takt steigt dadurch von bisher rund 2,44 Euro auf fast 3,45 Euro. Für die Hamburger S-Bahn entspricht dies bei einer Leistung von etwa 10 Millionen Zugkilometern im Jahr einer Mehrbelastung von rund 10 Millionen Euro.

Für die Berliner S-Bahn erwartet die IGEB z.B. bei der etwa 24 Kilometer langen S-Bahn-Linie 3 (Berlin Ostbahnhof – Erkner) eine Trassenpreisverteuerung um jährlich mehr als 1.800.000 Euro und schätzt für das Gesamtnetz eine Mehrbelastung von jährlich etwa 30 Millionen Euro.

Was bedeutet das für die Fahrgäste?

Was geht die Fahrgäste das alles eigentlich an, wird sich der/die geneigte Leser/in nach allen diesen vielen Zahlen vielleicht fragen. Alles wird schließlich teurer, und bei den drastischen Preissprüngen bezüglich der Neubaustrecke und der S-Bahnen in Berlin und Hamburg geht es doch eigentlich „nur“ um Verrechnungen zwischen gelegentlich wechselnden Konzerntöchtern der Deutschen Bahn AG. Zudem gilt das Netz allgemein als unterfinanziert und daher sind Trassenpreisanhebungen doch nur logisch und für den Erhalt des Eisenbahnnetzes sogar zu begrüßen.
Es ist jedoch anzunehmen, dass die von den Trassenpreiserhöhungen in erster Linie betroffenen Konzerntöchter die Verschlechterung ihrer Gewinnsituation nicht einfach hinnehmen werden. Sie haben keine Chance, gegenüber der DB Netz AG niedrigere Trassenpreise durchzusetzen und werden sich daher anderweitig um Ergebnisverbesserungen bemühen.

Höhere Preise und weniger Züge im Fernverkehr?

Für das auf der Neubaustrecke von Köln nach Frankfurt am Main fahrende Unternehmen der DB AG liegt es zum Beispiel nahe, seine Preissteigerungen in Form von Fahrpreiserhöhungen an die Fernverkehrskunden durchzureichen. Soweit das wegen der bekannt hohen Preissensibilität der Fernverkehrskunden nicht gelingt, können alternativ auch Zugleistungen auf dieser Strecke kritisch überprüft und notfalls zusammengestrichen werden.

Höhere Preise und weniger Personal bei den S-Bahnen?

Dieser Weg, ihre Mehrbelastungen über Fahrpreiserhöhungen oder Zugstreichungen an die Kundschaft weiterzugeben, ist den S-Bahnen in Berlin und Hamburg versperrt. Sie sind in die jeweiligen Tarifverbünde eingebunden und können ihre Fahrpreise nicht alleine erhöhen. Wenn sich also die S-Bahnen in Berlin und Hamburg im Rahmen ihrer Verbünde demnächst für deutliche Tariferhöhungen aussprechen, wäre dies keine Überraschung, sondern eine logische Konsequenz.

Zugstreichungen durch die Verkehrsbetriebe scheiden dagegen bei den S-Bahnen aus, weil hier, anders als beim eigenwirtschaftlichen Fernverkehr, gemeinwirtschaftliche Leistungen erbracht werden, für deren Umfang und Bezahlung die so genannten Aufgabenträger zuständig sind, also einerseits die Länder Berlin und Brandenburg, andererseits die Länder Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen, die ihre Bestellungen aus den Regionalisierungsmitteln des Bundes finanzieren.

Allerdings darf mit der Auflage von betrieblichen Kostensenkungsprogrammen gerechnet werden. In Berlin gibt es dafür politische Rückendeckung vom zuständigen Verkehrssenator Peter Strieder, der die Bahnsteigaufsichten als Sparpotenzial ausgemacht hat.

Ist das Trassenpreissystem der Deutschen Bahn AG nachvollziehbar?

Die DB Netz AG kann sich bei der Ermittlung ihrer Trassenpreise auf eine solide Datenbasis stützen. Sie kennt die Zahl ihrer Mitarbeiter/innen und die Baukosten jeder einzelnen Bahnstrecke. Sie kennt die Zahl und den aktuellen Standard ihrer Stellwerke, sie hat das Wissen über Brücken, Tunnel, Weichen, Schranken, Signale. Daher kann die Berechnung kostendeckender Trassenpreise für jede einzelne Bahnstrecke für sie eigentlich keine unüberwindliche Hürde sein.

Deshalb fragt man sich verwundert, ja misstrauisch, warum die DB Netz AG jetzt plötzlich feststellt, dass ihre doch sicherlich schon bisher durchkalkulierten Trassenpreise bei den S-Bahnen in Berlin und Hamburg ohne erkennbaren sachlichen Anlass um mehr als 40 Prozent steigen müssen? Und wie kommt es, dass sich für diese beiden trotz der Gemeinsamkeit des Gleichstrombetriebes doch so unterschiedlichen S-Bahn-Betriebe auf den Cent genau derselbe Trassenpreis ergibt?

Vielleicht sollte sich das Land Berlin, dass zurzeit versucht, die S-Bahn GmbH zur Erbringung unveränderter Leistungen für erheblich weniger Geld zu zwingen, zunächst einmal mit DB Netzt über Höhe und Struktur der Trassenpreise unterhalten. Denn das ist ein Kostenfaktor, den im Falle der vom Land Berlin für die Zukunft angekündigten Ausschreibung des S-Bahn-Betriebes jeder Bewerber als unabänderliche Vorgabe einzukalkulieren hätte. Nur das Land als Besteller hat die Möglichkeit, aber auch die Pflicht, nachzufragen, ob die DB Netz AG das Zustandekommen der Trassenpreise für die Berliner S-Bahn und insbesondere die extreme Steigerung überzeugend darlegen kann.
 


2004-08-03
www.gve-verlag.de
Th.B.