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© GVE 3/2003
Th. Billik
Zeitschrift SIGNAL
SIGNAL-Ausgaben 04/2002
DBV Havelland

Wann werden die allerletzten Lücken im Berliner S-Bahn-Netz geschlossen?

Am 15. Juni wurde die letzte innerstädtische Lücke im S-Bahn-Netz geschlossen (Gesundbrunnen – Westhafen). Der Wermutstropfen: In den Berliner Außenbezirken und den angrenzenden Gebieten Brandenburgs liegen weiterhin S-Bahn-Strecken brach, die bis zum 13. August 1961 dichten Verkehr sahen. Heute fährt dort die Regionalbahn oder gar nichts mehr.

Etliche Strecken fehlen noch Jahre

Jungfernheide – Gartenfeld
Gravierend sind die Lücken im westlichen Außenbereich, besonders Spandau/Charlottenburg. Dazu gehört die 1929 eröffnete sogenannte Siemensbahn zwischen Jungfernheide und Gartenfeld. Bis zum S-Bahn-Streik im September 1980 gab es auf dieser Strecke im Berufsverkehr einen 10-Minuten-Takt. Seitdem rostet die hochbahnähnliche Anlage vor sich hin. Die Perspektiven für eine Wiederinbetriebnahme sind indes schlecht. Parallel zur Schließung der Strecke wurde zwei Wochen nach der Stillegung die U-Bahn-Linie 7 von Richard-Wagner-Platz nach Rohr-damm verlängert. Das Gebiet um den Bahnhof Wernerwerk wird vom U-Bahnhof Halemweg erschlossen, der Bahnhof Siemensstadt liegt praktisch neben dem U-Bahnhof Rohrdamm. Durch den Wegfall zigtausender Industriearbeitsplätze in diesem Bereich besteht für eine Wiederaufnahme eines S-Bahn-Betriebs auf dieser Strecke keine vordringliche Notwendigkeit. Eine Zukunft hätte die Strecke mit einer Verlängerung ins neue Wohngebiet Wasserstadt Spandau und weiter nach Hakenfelde. Doch das Projekt Wasserstadt ist ins Stocken geraten, zwei Buslinien im 15- bzw. 20-Minutentakt genügen derzeit vollauf.

Jungfernheide – Stresow
Keine Züge rollen auch auf der 1951 eröffneten S-Bahn-Strecke zwischen Jung-fernheide und Stresow. Dieses typische Kind des „Kalten Kriegs“ war Folge der Schließung des Lehrter Fernbahnhofs. Eine Wiederinbetriebnahme erscheint heute nicht möglich, parallel fährt zwischen Spandau und Jungfernheide die U 7. So wird es auf Eisenbahngleisen zwischen diesen beiden Zentren künftig nur Regionalverkehr geben. Während der Stadtbahn-Unterbrechung im Jahr 2003  wird zwischen Spandau und Jungfernheide die RE-Linie 6 verkehren. Mit Eröffnung des Tiergartentunnels werden weitere Regionalzüge diesen Abschnitt befahren.

Spandau – Staaken, Spandau – Falkensee
Erst 1995 fuhren dort wieder Regionalzüge.  Das Bundesverkehrsministerium, dass in den 1990er Jahren zusagte, alle am 12. August 1961 betriebenen S-Bahn-Strecken wiederherzustellen, will davon heute nichts mehr wissen. Es gibt auch Vorschläge für eine Express-S-Bahn unter Wechselstrom-Fahrleitung, die sogar Nauen anbinden würde und in Berlin die Stadtbahn-Ferngleise nutzen könnte, wenn durch den Tiergartentunnel Trassenkapazitäten auf der Stadtbahn frei werden. Aber egal für welches System sich entschieden wird, Gleichstrom- oder Wechselstrom-S-Bahn, es setzt den Bau eigener Vorortgleise zwischen Falkensee und Berlin voraus.
Bis 1980 wurde die Strecke Spandau – Staaken als S-Bahn befahren. Der rot-grüne Momper-Senat sah auch eine Reaktivierung dieses Abschnitts vor. Elektrifiziert wurde diese Strecke am 3. August 1951. Die Gleise waren Teil der eigenen Vororttrasse Spandau – Wustermark. Die Trasse für den Hochgeschwindigkeitsverkehr wurde  auf das Planum der Vorortgleise gelegt, die S-Bahn dem ICE geopfert. Das südliche Gleispaar, sofern noch vorhanden, bleibt nun dem Regional- und Güterverkehr vorbehalten.
Eine S-Bahn-Strecke nach Staaken würde erheblichen baulichen Aufwand erfordern. Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass die S-Bahn GmbH mit der Auslastung ihrer Züge nach Spandau nicht zufrieden ist. Das hat zwei Gründe. Vom Bus lässt sich am Rathaus Spandau bequemer in die U-Bahn als in die S-Bahn umsteigen. Mehrmals in der Stunde gibt es gut frequentierte Regionalzüge in die Berliner Innenstadt. So lange die Wohngebiete nahe beider Strecken nach Staaken und Falkensee nur mit dem  Bus erschlossen werden, wird sich die mangelhafte Frequentierung der S-Bahn nicht ändern. Der Verkehr müsste vor dem Knotenpunkt Spandau von der S-Bahn „abgefangen“ werden. Wer in Staaken bereits in der S-Bahn sitzt, wird am Rathaus Spandau nicht in die U-Bahn oder Regionalbahn umsteigen, wenn man das Ziel Berliner Innenstadt ansteuert.

Wannsee – Stahnsdorf
Ebenfalls erhebliche Lücken gibt es im Südwesten Berlins. Bereits mit dem Bau der Mauer verschwand die 1913 eröffnete und 1928 elektrisch betriebene Strecke Wannsee – Stahnsdorf („Friedhofsbahn“). Die Perspektiven für diese sind derzeit sehr vage. Ihr Bau diente einst dem Zubringerverkehr zum Südwestfriedhof in Stahnsdorf, der seine einstige Bedeutung nicht mehr wieder erlangen konnte. Ein Wiederaufbau würde sich schwierig gestalten, da die vor 30 Jahren erfolgte Verlegung der Autobahn A 15 diese heute schneidet. Seit jeher gibt es Pläne, diese Strecke nach Teltow Stadt und weiter zur Anhalter Bahn zu verlängern. Zwar werden heute noch Trassen frei gehalten, aber ob solche Pläne, eventuell als Erweiterung des Potsdamer Straßenbahnnetzes, verwirklicht werden, steht in den Sternen.

Zehlendorf – Düppel
Eine weitere Lücke gibt es zwischen Zehlendorf und Düppel als Teil der Stammbahn Berlin – Potsdam – Magdeburg. Mit der Stilllegung des Potsdamer Bahnhofs 1945 verlor die Stammbahn zwischen Berlin und Potsdam den Personenverkehr. Nur zwischen Düppel und Zehlendorf wurde ein Pendelverkehr eingerichtet. 1948 wurde er von der S-Bahn abgelöst. In erster Linie diente sie der Anbindung von Kleinmachnow. Obwohl die Verkehrsaufgabe mit dem Mauerbau verloren ging, hielt sich die S-Bahn bis zum Streik 1980. Eine Wiederbelebung als Regionalbahn ist dann zu erwarten, wenn auch die Stammbahn wieder reaktiviert wird. Pläne gibt es derzeit. Die S-Bahn fährt hier nicht, weil eine Verbindung mit Regionalzügen versprochen wurde, die aber immer weiter in die Zukunft verschoben wird.

Lichterfelde Süd – Teltow
Ebenfalls ein Kind der Schließung des Anhalter Fernbahnhofs ist der Abschnitt Lichterfelde Süd – Teltow. Seit 1952 betrieben, war 1961 auch hier Schluss. Lichterfelde Süd wurde von der S-Bahn bis 1980 und erst wieder 1998 angefahren. Derzeit im Bau ist eine Verbindung nach Teltow Stadt. Wie bereits erwähnt könnte diese Linie über Stahnsdorf nach Wannsee geführt werden. Von einer S-Bahn nach Ludwigsfelde oder gar bis Trebbin spricht heute niemand mehr. Zwischen Lichterfelde Ost und Ludwigsfelde gibt es seit vielen Jahren nur einen SEV-Bus. Obwohl die Investoren des Potsdamer Platz-Areals die Wiederbelebung der Anhalter Bahn vom bereits fertiggestellten Regionalbahnhof Potsdamer Platz nach Ludwigsfelde und darüber hinaus fordern, ist es derzeit dort still geworden.

Blankenfelde – Rangsdorf
Erst 1939 wurde im Zusammenhang mit der Eröffnung des Berliner Nord-Süd-Tunnels für die S-Bahn die Strecke Priesterweg – Rangsdorf für den elektrischen S-Bahn-Verkehr adaptiert. Südlich von Marienfelde benutzen S-Bahn und Fernbahn dieselben Gleise. Mit der Aufgabe des Anhalter Bahnhofs als Fernzughalt fuhr die S-Bahn von Berlin kommend alleine bis Blankenfelde, nur einige Güterzüge benutzen bis heute noch teilweise die S-Bahn-Gleise. Südlich von Blankenfelde (erst 1946 als Bahnhof eröffnet) wurde nach dem Krieg ein Gleis der S-Bahn und ein Gleis der Fernbahn zugeschlagen. Mit dem Bau der Mauer gab es zwischen Lichtenrade und Mahlow keine Züge mehr. Von Mahlow  pendelte ein Triebwagen nach Blankenfelde. Südlich davon wurde die Fernbahn wieder zweigleisig betrieben. Mit dem Wegfall der Mauer wurde 1992 der S-Bahn-Verkehr nur bis Blankenfelde wieder aufgenommen. Zwischen Blankenfelde und Rangsdorf müsste ein eigenes S-Bahn-Gleis aufgebaut werden.

Hennigsdorf – Velten
Im Nordwesten Berlins gab es von 1961 bis 1983 einen S-Bahn-Inselbetrieb (vorher fuhren Züge von Berlin bis Velten). Mit der Elektrifizierung des Berliner Außenrings kam diese Strecke unter Fahrdraht. Erst 1998 erreichte die S-Bahn wieder von Berlin aus Hennigsdorf. Die Erweiterung des S-Bahn-Betriebs nach Velten, wie er bis 1961 bestand, soll nach 2006 erfolgen.

Derzeit bestehende Lücken im Berliner S-Bahn-Netz
Spandau – Staaken 3,47 km
Spandau – Falkensee  7,49 km
Jungfernheide – Stresow   6,17 km
Jungfernheide – Gartenfeld 4,46 km
Wannsee – Stahnsdorf  4,24 km
Zehlendorf – Düppel  2,51 km
Blankenfelde –Rangsdorf  6,47 km
Teltow – Lichterfelde Süd  2,60 km
Hennigsdorf – Velten  6,24 km
Insgesamt 43,65 km

Was sonst noch fehlt
Es sind aber nicht nur ganze Strecken oder Teile davon, deren Fehlen sich tagtäglich bemerkbar macht. Vielfach sind auch die jeweils zweiten Gleise wieder aufzubauen, die im Rahmen von Reparationsleistungen nach dem Zweiten Weltkrieg abgebaut oder auf die als Ergebnis der schnellen Wiederinbetriebnahme nach dem Mauerfall verzichtet wurde!
Der DBV appelliert eindringlich an alle Verantwortlichen, nach dem in der Berliner Innenstadt die durch Mauerbau, Streik und Senatsignoranz gerissenen Lücken im S-Bahn-Netz geheilt wurden, nun konsequent sich der Lücken im Außenbereich und in das Umland anzunehmen. Die S-Bahn ist auch für das Berliner Umland ein wichtiges Verkehrsmittel.
 


2004-08-03
www.gve-verlag.de
Th.B.