DBV Havelland
Wann werden die allerletzten Lücken im Berliner S-Bahn-Netz geschlossen?
Am 15. Juni wurde die letzte innerstädtische Lücke im S-Bahn-Netz
geschlossen (Gesundbrunnen – Westhafen). Der Wermutstropfen: In den Berliner
Außenbezirken und den angrenzenden Gebieten Brandenburgs liegen weiterhin
S-Bahn-Strecken brach, die bis zum 13. August 1961 dichten Verkehr sahen.
Heute fährt dort die Regionalbahn oder gar nichts mehr.
Etliche Strecken fehlen noch Jahre
Jungfernheide – Gartenfeld
Gravierend sind die Lücken im westlichen Außenbereich, besonders
Spandau/Charlottenburg. Dazu gehört die 1929 eröffnete sogenannte
Siemensbahn zwischen Jungfernheide und Gartenfeld. Bis zum S-Bahn-Streik
im September 1980 gab es auf dieser Strecke im Berufsverkehr einen 10-Minuten-Takt.
Seitdem rostet die hochbahnähnliche Anlage vor sich hin. Die Perspektiven
für eine Wiederinbetriebnahme sind indes schlecht. Parallel zur Schließung
der Strecke wurde zwei Wochen nach der Stillegung die U-Bahn-Linie 7 von
Richard-Wagner-Platz nach Rohr-damm verlängert. Das Gebiet um den
Bahnhof Wernerwerk wird vom U-Bahnhof Halemweg erschlossen, der Bahnhof
Siemensstadt liegt praktisch neben dem U-Bahnhof Rohrdamm. Durch den Wegfall
zigtausender Industriearbeitsplätze in diesem Bereich besteht für
eine Wiederaufnahme eines S-Bahn-Betriebs auf dieser Strecke keine vordringliche
Notwendigkeit. Eine Zukunft hätte die Strecke mit einer Verlängerung
ins neue Wohngebiet Wasserstadt Spandau und weiter nach Hakenfelde. Doch
das Projekt Wasserstadt ist ins Stocken geraten, zwei Buslinien im 15-
bzw. 20-Minutentakt genügen derzeit vollauf.
Jungfernheide – Stresow
Keine Züge rollen auch auf der 1951 eröffneten S-Bahn-Strecke
zwischen Jung-fernheide und Stresow. Dieses typische Kind des „Kalten Kriegs“
war Folge der Schließung des Lehrter Fernbahnhofs. Eine Wiederinbetriebnahme
erscheint heute nicht möglich, parallel fährt zwischen Spandau
und Jungfernheide die U 7. So wird es auf Eisenbahngleisen zwischen diesen
beiden Zentren künftig nur Regionalverkehr geben. Während der
Stadtbahn-Unterbrechung im Jahr 2003 wird zwischen Spandau und Jungfernheide
die RE-Linie 6 verkehren. Mit Eröffnung des Tiergartentunnels werden
weitere Regionalzüge diesen Abschnitt befahren.
Spandau – Staaken, Spandau – Falkensee
Erst 1995 fuhren dort wieder Regionalzüge. Das Bundesverkehrsministerium,
dass in den 1990er Jahren zusagte, alle am 12. August 1961 betriebenen
S-Bahn-Strecken wiederherzustellen, will davon heute nichts mehr wissen.
Es gibt auch Vorschläge für eine Express-S-Bahn unter Wechselstrom-Fahrleitung,
die sogar Nauen anbinden würde und in Berlin die Stadtbahn-Ferngleise
nutzen könnte, wenn durch den Tiergartentunnel Trassenkapazitäten
auf der Stadtbahn frei werden. Aber egal für welches System sich entschieden
wird, Gleichstrom- oder Wechselstrom-S-Bahn, es setzt den Bau eigener Vorortgleise
zwischen Falkensee und Berlin voraus.
Bis 1980 wurde die Strecke Spandau – Staaken als S-Bahn befahren. Der
rot-grüne Momper-Senat sah auch eine Reaktivierung dieses Abschnitts
vor. Elektrifiziert wurde diese Strecke am 3. August 1951. Die Gleise waren
Teil der eigenen Vororttrasse Spandau – Wustermark. Die Trasse für
den Hochgeschwindigkeitsverkehr wurde auf das Planum der Vorortgleise
gelegt, die S-Bahn dem ICE geopfert. Das südliche Gleispaar, sofern
noch vorhanden, bleibt nun dem Regional- und Güterverkehr vorbehalten.
Eine S-Bahn-Strecke nach Staaken würde erheblichen baulichen Aufwand
erfordern. Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass die S-Bahn GmbH
mit der Auslastung ihrer Züge nach Spandau nicht zufrieden ist. Das
hat zwei Gründe. Vom Bus lässt sich am Rathaus Spandau bequemer
in die U-Bahn als in die S-Bahn umsteigen. Mehrmals in der Stunde gibt
es gut frequentierte Regionalzüge in die Berliner Innenstadt. So lange
die Wohngebiete nahe beider Strecken nach Staaken und Falkensee nur mit
dem Bus erschlossen werden, wird sich die mangelhafte Frequentierung
der S-Bahn nicht ändern. Der Verkehr müsste vor dem Knotenpunkt
Spandau von der S-Bahn „abgefangen“ werden. Wer in Staaken bereits in der
S-Bahn sitzt, wird am Rathaus Spandau nicht in die U-Bahn oder Regionalbahn
umsteigen, wenn man das Ziel Berliner Innenstadt ansteuert.
Wannsee – Stahnsdorf
Ebenfalls erhebliche Lücken gibt es im Südwesten Berlins.
Bereits mit dem Bau der Mauer verschwand die 1913 eröffnete und 1928
elektrisch betriebene Strecke Wannsee – Stahnsdorf („Friedhofsbahn“). Die
Perspektiven für diese sind derzeit sehr vage. Ihr Bau diente einst
dem Zubringerverkehr zum Südwestfriedhof in Stahnsdorf, der seine
einstige Bedeutung nicht mehr wieder erlangen konnte. Ein Wiederaufbau
würde sich schwierig gestalten, da die vor 30 Jahren erfolgte Verlegung
der Autobahn A 15 diese heute schneidet. Seit jeher gibt es Pläne,
diese Strecke nach Teltow Stadt und weiter zur Anhalter Bahn zu verlängern.
Zwar werden heute noch Trassen frei gehalten, aber ob solche Pläne,
eventuell als Erweiterung des Potsdamer Straßenbahnnetzes, verwirklicht
werden, steht in den Sternen.
Zehlendorf – Düppel
Eine weitere Lücke gibt es zwischen Zehlendorf und Düppel
als Teil der Stammbahn Berlin – Potsdam – Magdeburg. Mit der Stilllegung
des Potsdamer Bahnhofs 1945 verlor die Stammbahn zwischen Berlin und Potsdam
den Personenverkehr. Nur zwischen Düppel und Zehlendorf wurde ein
Pendelverkehr eingerichtet. 1948 wurde er von der S-Bahn abgelöst.
In erster Linie diente sie der Anbindung von Kleinmachnow. Obwohl die Verkehrsaufgabe
mit dem Mauerbau verloren ging, hielt sich die S-Bahn bis zum Streik 1980.
Eine Wiederbelebung als Regionalbahn ist dann zu erwarten, wenn auch die
Stammbahn wieder reaktiviert wird. Pläne gibt es derzeit. Die S-Bahn
fährt hier nicht, weil eine Verbindung mit Regionalzügen versprochen
wurde, die aber immer weiter in die Zukunft verschoben wird.
Lichterfelde Süd – Teltow
Ebenfalls ein Kind der Schließung des Anhalter Fernbahnhofs ist
der Abschnitt Lichterfelde Süd – Teltow. Seit 1952 betrieben, war
1961 auch hier Schluss. Lichterfelde Süd wurde von der S-Bahn bis
1980 und erst wieder 1998 angefahren. Derzeit im Bau ist eine Verbindung
nach Teltow Stadt. Wie bereits erwähnt könnte diese Linie über
Stahnsdorf nach Wannsee geführt werden. Von einer S-Bahn nach Ludwigsfelde
oder gar bis Trebbin spricht heute niemand mehr. Zwischen Lichterfelde
Ost und Ludwigsfelde gibt es seit vielen Jahren nur einen SEV-Bus. Obwohl
die Investoren des Potsdamer Platz-Areals die Wiederbelebung der Anhalter
Bahn vom bereits fertiggestellten Regionalbahnhof Potsdamer Platz nach
Ludwigsfelde und darüber hinaus fordern, ist es derzeit dort still
geworden.
Blankenfelde – Rangsdorf
Erst 1939 wurde im Zusammenhang mit der Eröffnung des Berliner
Nord-Süd-Tunnels für die S-Bahn die Strecke Priesterweg – Rangsdorf
für den elektrischen S-Bahn-Verkehr adaptiert. Südlich von Marienfelde
benutzen S-Bahn und Fernbahn dieselben Gleise. Mit der Aufgabe des Anhalter
Bahnhofs als Fernzughalt fuhr die S-Bahn von Berlin kommend alleine bis
Blankenfelde, nur einige Güterzüge benutzen bis heute noch teilweise
die S-Bahn-Gleise. Südlich von Blankenfelde (erst 1946 als Bahnhof
eröffnet) wurde nach dem Krieg ein Gleis der S-Bahn und ein Gleis
der Fernbahn zugeschlagen. Mit dem Bau der Mauer gab es zwischen Lichtenrade
und Mahlow keine Züge mehr. Von Mahlow pendelte ein Triebwagen
nach Blankenfelde. Südlich davon wurde die Fernbahn wieder zweigleisig
betrieben. Mit dem Wegfall der Mauer wurde 1992 der S-Bahn-Verkehr nur
bis Blankenfelde wieder aufgenommen. Zwischen Blankenfelde und Rangsdorf
müsste ein eigenes S-Bahn-Gleis aufgebaut werden.
Hennigsdorf – Velten
Im Nordwesten Berlins gab es von 1961 bis 1983 einen S-Bahn-Inselbetrieb
(vorher fuhren Züge von Berlin bis Velten). Mit der Elektrifizierung
des Berliner Außenrings kam diese Strecke unter Fahrdraht. Erst 1998
erreichte die S-Bahn wieder von Berlin aus Hennigsdorf. Die Erweiterung
des S-Bahn-Betriebs nach Velten, wie er bis 1961 bestand, soll nach 2006
erfolgen.
Derzeit bestehende Lücken im Berliner S-Bahn-Netz
Spandau – Staaken 3,47 km
Spandau – Falkensee 7,49 km
Jungfernheide – Stresow 6,17 km
Jungfernheide – Gartenfeld 4,46 km
Wannsee – Stahnsdorf 4,24 km
Zehlendorf – Düppel 2,51 km
Blankenfelde –Rangsdorf 6,47 km
Teltow – Lichterfelde Süd 2,60 km
Hennigsdorf – Velten 6,24 km
Insgesamt 43,65 km
Was sonst noch fehlt
Es sind aber nicht nur ganze Strecken oder Teile davon, deren Fehlen
sich tagtäglich bemerkbar macht. Vielfach sind auch die jeweils zweiten
Gleise wieder aufzubauen, die im Rahmen von Reparationsleistungen nach
dem Zweiten Weltkrieg abgebaut oder auf die als Ergebnis der schnellen
Wiederinbetriebnahme nach dem Mauerfall verzichtet wurde!
Der DBV appelliert eindringlich an alle Verantwortlichen, nach dem
in der Berliner Innenstadt die durch Mauerbau, Streik und Senatsignoranz
gerissenen Lücken im S-Bahn-Netz geheilt wurden, nun konsequent sich
der Lücken im Außenbereich und in das Umland anzunehmen. Die
S-Bahn ist auch für das Berliner Umland ein wichtiges Verkehrsmittel.