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© GVE 3/2003
Th. Billik
Zeitschrift SIGNAL
Signal-Ausgaben 06/2002
DBV Bundesverband
Hartmut Mehdorn nicht dialogfähig?

Das neue Preissystem im Personenverkehr der Deutschen Bahn AG gibt Anlass zu zahlreichen kritischen Äußerungen der Kundenverbände. Es liegt in der Natur der Sache, dass den von der DB in ihrer Werbekampagne herausgestellten Vorteilen die Nachteile gegenübergestellt werden. Nur der Vorstandsvorsitzende der DB AG, Hartmut Mehdorn, ist gleich beleidigt, wenn es zu Kritik kommt. Warum eigentlich?

Ein Streit, ob das neue Preissystem neue Kunden auf die Schiene bringt, ist zum jetzigen Zeitpunkt zu früh. Hier fehlen allen, auch der DB, schlichtweg die Erfahrungen. Prognosen, auf die sie verweist, können sich hinterher als Wahrsagerei herausstellen (man denke an die Vorhersagen zum Wirtschaftswachstum und zu den Wahlausgängen!). Wenn jetzt auf erste Verkaufszahlen von der DB zum Weihnachtsverkehr hingewiesen wird, ist das nichts Besonderes. Denn Weihnachten ist der Verkehr immer stark, zudem muss man auch von einem gewissen Interesse der Kundschaft an den neuen Preisen ausgehen. Und Alternativen auf der Schiene zur DB gibt es nicht. Ein Wettbewerb zwischen mehreren Anbietern, wie er in der Luftfahrt normal ist – diese Wahlmöglichkeit wird Bahnkunden bis auf eine Hand voll Einzelverbindungen nicht gegeben.
Dennoch, zu beurteilen sind schon heute die Handhabung der Bahnpreise – insbesondere von Plan & Spar mit seinen zahlreichen komplizierten Bedingungen – und die Preisentwicklung für alle möglichen Reiseverbindungen. Daraus lassen sich durchaus die Vor- und Nachteile für einzelne Reisendengruppen mit ihren unterschiedlichen Interessen ableiten, wie es auch Stiftung Warentest in seiner Untersuchung getan hat. Ihr Test-Ergebnis „Viele fahren schlechter“ war wohl ein Tritt vor das Schienenbein von Hartmut Mehdorn, der schnell in einer Presseinformation erklärte, dass die Tester bewusst ein nicht repräsentatives negatives Bild gezeichnet hätten. Und noch eins drauf setzte, als er sich darüber mokierte, dass „eine Institution, die auch vom Steuerzahler finanziert wird, von einem Wirtschaftsunternehmen verlangt“, einige Änderungen vorzunehmen. Nun, diese Kritik der DB, die dem Steuerzahler ja auch nicht gerade billig ist, ist in Anbetracht der mangelnden konstruktiven Konfliktfähigkeit des Vorstandsvorsitzenden eigentlich nicht verwunderlich. Hat doch Hartmut Mehdorn seine früheren Vorstandsfunktionen in der Regel bei Industriegüterunternehmen inne gehabt, die mit den Konsumenten, dem Endkunden, weniger zu tun haben. Offenbar ist ihm die Dynamik dieser Kundenbeziehung nicht bewusst, wenn sie als Meckerei abqualifiziert wird.
Diese mangelnde Erfahrung überträgt sich auf das Verhältnis der DB zu den Kundenverbänden. Im Vordergrund stehen bei der Bahngesellschaft die Bestrebungen, die Kapitalmarktfähigkeit der Deutschen Bahn zu erreichen und die gesetzlichen Rahmenbedingungen entsprechend zu beeinflussen. Bisherige Zahlen sind verheerend, die Zieltermine wurden verschoben. Jetzt hat die Deutsche Bahn einen externen Bahn-Beirat berufen, der das Unternehmen bei der Fortführung der Bahnreform beraten soll. Dem Gremium gehören 23 Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Wirtschaft an. Vorsitzender ist Dr. Michael Frenzel, Vorsitzender des Vorstandes der TUI AG und Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Bahn. Kundenvertreter wurden leider erst gar nicht berufen, ließ man doch ihre Interessen schon in der Vergangenheit auf der Strecke.
Die gemeinsame Tarifkommission der Fahrgastverbände hatte die Deutsche Bahn gekündigt, obwohl der weitere Dialog von den Verbänden angeboten wurde. Insofern sind die öffentlichen Auseinandersetzungen zu den Tarifen von der DB provoziert. Zudem, das DB-Kundenforum wurde auch abgeschafft. Wenn diese Ignoranz im Umgang mit den Kunden der DB fortgesetzt und von der Politik weiterhin zugelassen wird, bekommt sie ein Problem. An den Eigentümer wenden sich dann erst recht kritische Fragen, welche Rolle der aus Steuermitteln finanzierte Monopolist Deutsche Bahn AG für die Bevölkerung zukünftig spielt.
Nur die halbe Wahrheit wird in der Werbung zu den neuen Fahrpreisen verkündet. Denn neben dem Zeitpunkt, wann der Kunde seine Fahrkarte kauft, kommen bei „Plan & Spar 40“ noch weitere Bedingungen hinzu:

  • Kauf der Fahrkarte für die Hin- und Rückfahrt.
  • Festlegung auf bestimmte Züge,
  • Kontingent für diesen Zug darf noch nicht erschöpft sein.
  • „Wochenendbindung“: Hinfahrt an einem Samstag, Rückfahrt frühestens an einem Sonntag. Wer also montags hin und mittwochs zurückfährt, bekommt keine 40 Prozent!).
  • Es müssen Züge des Fernverkehrs benutzt werden (ICE, IC). Die Entfernung spielt keine Rolle. Werden ausschliess-lich Regionalzüge benutzt, gilt „Plan & Spar“ nicht.
  • Für Hin- und Rückfahrt müssen Züge der gleichen „Produktkategorie“ benutzt werden. Die Hinfahrt mit einem ICE und die Rückfahrt mit einem IC geht nicht.
Neue Preise mit System eben.

Wer getroffen ist, schreit laut auf!
VCD-Pressedienst zur eigenen Umfrageaktion:
„Wenngleich das Ergebnis nicht repräsentativ für alle Bahnfahrerinnen und Bahnfahrer ist, zeigt die Musterbriefaktion des VCD ganz deutlich: Das neue Preissystem der Bahn schafft nicht nur Gewinner sondern viel mehr Verlierer als die Bahn bisher angibt.“
Pressedienst der DB AG:
„Der so genannte ‘Profiltest’ des Verkehrsclub Deutschland zum neuen Preissystem der Bahn ist in keiner Weise repräsentativ. Bahnchef Hartmut Mehdorn: ‘Ich bin es wirklich leid, dass sich offensichtlich jeder mit handgestrickten Amateur-Umfragen zum seriösen Kritiker an dem neuen Preissystem hochstilisieren kann. Unsere Zahlen … sprechen eine ganz andere Sprache. Ebenso die von unabhängigen und seriösen Instituten vorgenommenen repräsentativen Umfragen.“
*
Aus der Untersuchung der Stiftung Warentest:
„… Die Bahn verspricht für ihr neues Tarifsystem: Viele werden ‘billiger reisen’. Doch unser Preisvergleich zeigt: Viel zu oft müssen die Kunden draufzahlen.“ „Die Stiftung Warentest hat einen realitätsnahen Preisvergleich durchgeführt und die besten aller Angebote mit den günstigsten neuen verglichen – für mehr als 800 Reisen – jeweils mit und ohne Plan & Spar-Sondertarifen, insgesamt also über 1600 Preisvergleiche. Je nach Personenkreis verändern sich die Preise teilweise erheblich. Preistreiberei bei Interregio-Umwidmung, halber Bahncard-Rabatt. Der Gipfel an Kundenferne sind bis zu 45 Euro Strafgebühren für Fahrgäste, dien ihre Reisepläne kurzfristig ändern müssen. So werden an Flexibilität gewöhnte Autofahrer, die als Umsteiger gewonnen werden sollen, ebenso vergrault wie Stammkunden.“
Reaktion der Deutschen Bahn AG:
„Das insgesamt negative Urteil der Stiftung basiert auf Einzelbeispielen, die bewusst ausgewählt wurden, um ein verzerrtes Bild zu zeichnen. Und da ist es natürlich einfach, mit ein paar hundert Verbindungen von insgesamt 22 Millionen möglichen Relationen ein negatives Ergebnis herbeizutesten. Besonders peinlich wird das für die Tester, wenn sie das auch noch mit Dingen vermengen, die mit dem neuen Preissystem nichts zu tun haben, nur um zu möglichst schlechten Ergebnissen zu kommen. So wurde die Abschaffung der Interregios bereits lange vor Einführung des neuen Preissystems beschlossen und sukzessive umgesetzt.“
 


2004-08-03
www.gve-verlag.de
Th.B.