DBV Bundesverband
Hartmut Mehdorn nicht dialogfähig?
Das neue Preissystem im Personenverkehr der Deutschen Bahn AG gibt
Anlass zu zahlreichen kritischen Äußerungen der Kundenverbände.
Es liegt in der Natur der Sache, dass den von der DB in ihrer Werbekampagne
herausgestellten Vorteilen die Nachteile gegenübergestellt werden.
Nur der Vorstandsvorsitzende der DB AG, Hartmut Mehdorn, ist gleich beleidigt,
wenn es zu Kritik kommt. Warum eigentlich?
Ein Streit, ob das neue Preissystem neue Kunden auf die Schiene bringt,
ist zum jetzigen Zeitpunkt zu früh. Hier fehlen allen, auch der DB,
schlichtweg die Erfahrungen. Prognosen, auf die sie verweist, können
sich hinterher als Wahrsagerei herausstellen (man denke an die Vorhersagen
zum Wirtschaftswachstum und zu den Wahlausgängen!). Wenn jetzt auf
erste Verkaufszahlen von der DB zum Weihnachtsverkehr hingewiesen wird,
ist das nichts Besonderes. Denn Weihnachten ist der Verkehr immer stark,
zudem muss man auch von einem gewissen Interesse der Kundschaft an den
neuen Preisen ausgehen. Und Alternativen auf der Schiene zur DB gibt es
nicht. Ein Wettbewerb zwischen mehreren Anbietern, wie er in der Luftfahrt
normal ist – diese Wahlmöglichkeit wird Bahnkunden bis auf eine Hand
voll Einzelverbindungen nicht gegeben.
Dennoch, zu beurteilen sind schon heute die Handhabung der Bahnpreise
– insbesondere von Plan & Spar mit seinen zahlreichen komplizierten
Bedingungen – und die Preisentwicklung für alle möglichen Reiseverbindungen.
Daraus lassen sich durchaus die Vor- und Nachteile für einzelne Reisendengruppen
mit ihren unterschiedlichen Interessen ableiten, wie es auch Stiftung Warentest
in seiner Untersuchung getan hat. Ihr Test-Ergebnis „Viele fahren schlechter“
war wohl ein Tritt vor das Schienenbein von Hartmut Mehdorn, der schnell
in einer Presseinformation erklärte, dass die Tester bewusst ein nicht
repräsentatives negatives Bild gezeichnet hätten. Und noch eins
drauf setzte, als er sich darüber mokierte, dass „eine Institution,
die auch vom Steuerzahler finanziert wird, von einem Wirtschaftsunternehmen
verlangt“, einige Änderungen vorzunehmen. Nun, diese Kritik der DB,
die dem Steuerzahler ja auch nicht gerade billig ist, ist in Anbetracht
der mangelnden konstruktiven Konfliktfähigkeit des Vorstandsvorsitzenden
eigentlich nicht verwunderlich. Hat doch Hartmut Mehdorn seine früheren
Vorstandsfunktionen in der Regel bei Industriegüterunternehmen inne
gehabt, die mit den Konsumenten, dem Endkunden, weniger zu tun haben. Offenbar
ist ihm die Dynamik dieser Kundenbeziehung nicht bewusst, wenn sie als
Meckerei abqualifiziert wird.
Diese mangelnde Erfahrung überträgt sich auf das Verhältnis
der DB zu den Kundenverbänden. Im Vordergrund stehen bei der Bahngesellschaft
die Bestrebungen, die Kapitalmarktfähigkeit der Deutschen Bahn zu
erreichen und die gesetzlichen Rahmenbedingungen entsprechend zu beeinflussen.
Bisherige Zahlen sind verheerend, die Zieltermine wurden verschoben. Jetzt
hat die Deutsche Bahn einen externen Bahn-Beirat berufen, der das Unternehmen
bei der Fortführung der Bahnreform beraten soll. Dem Gremium gehören
23 Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Wirtschaft an. Vorsitzender
ist Dr. Michael Frenzel, Vorsitzender des Vorstandes der TUI AG und Aufsichtsratsvorsitzender
der Deutschen Bahn. Kundenvertreter wurden leider erst gar nicht berufen,
ließ man doch ihre Interessen schon in der Vergangenheit auf der
Strecke.
Die gemeinsame Tarifkommission der Fahrgastverbände hatte die
Deutsche Bahn gekündigt, obwohl der weitere Dialog von den Verbänden
angeboten wurde. Insofern sind die öffentlichen Auseinandersetzungen
zu den Tarifen von der DB provoziert. Zudem, das DB-Kundenforum wurde auch
abgeschafft. Wenn diese Ignoranz im Umgang mit den Kunden der DB fortgesetzt
und von der Politik weiterhin zugelassen wird, bekommt sie ein Problem.
An den Eigentümer wenden sich dann erst recht kritische Fragen, welche
Rolle der aus Steuermitteln finanzierte Monopolist Deutsche Bahn AG für
die Bevölkerung zukünftig spielt.
Nur die halbe Wahrheit wird in der Werbung zu den neuen Fahrpreisen
verkündet. Denn neben dem Zeitpunkt, wann der Kunde seine Fahrkarte
kauft, kommen bei „Plan & Spar 40“ noch weitere Bedingungen hinzu:
- Kauf der Fahrkarte für die Hin- und Rückfahrt.
- Festlegung auf bestimmte Züge,
- Kontingent für diesen Zug darf noch nicht erschöpft sein.
- „Wochenendbindung“: Hinfahrt an einem Samstag, Rückfahrt frühestens
an einem Sonntag. Wer also montags hin und mittwochs zurückfährt,
bekommt keine 40 Prozent!).
- Es müssen Züge des Fernverkehrs benutzt werden (ICE, IC).
Die Entfernung spielt keine Rolle. Werden ausschliess-lich Regionalzüge
benutzt, gilt „Plan & Spar“ nicht.
- Für Hin- und Rückfahrt müssen Züge der gleichen
„Produktkategorie“ benutzt werden. Die Hinfahrt mit einem ICE und die Rückfahrt
mit einem IC geht nicht.
Neue Preise mit System eben.
Wer getroffen ist, schreit laut auf!
VCD-Pressedienst zur eigenen Umfrageaktion:
„Wenngleich das Ergebnis nicht repräsentativ für alle Bahnfahrerinnen
und Bahnfahrer ist, zeigt die Musterbriefaktion des VCD ganz deutlich:
Das neue Preissystem der Bahn schafft nicht nur Gewinner sondern viel mehr
Verlierer als die Bahn bisher angibt.“
Pressedienst der DB AG:
„Der so genannte ‘Profiltest’ des Verkehrsclub Deutschland zum neuen
Preissystem der Bahn ist in keiner Weise repräsentativ. Bahnchef Hartmut
Mehdorn: ‘Ich bin es wirklich leid, dass sich offensichtlich jeder mit
handgestrickten Amateur-Umfragen zum seriösen Kritiker an dem neuen
Preissystem hochstilisieren kann. Unsere Zahlen … sprechen eine ganz andere
Sprache. Ebenso die von unabhängigen und seriösen Instituten
vorgenommenen repräsentativen Umfragen.“
*
Aus der Untersuchung der Stiftung Warentest:
„… Die Bahn verspricht für ihr neues Tarifsystem: Viele werden
‘billiger reisen’. Doch unser Preisvergleich zeigt: Viel zu oft müssen
die Kunden draufzahlen.“ „Die Stiftung Warentest hat einen realitätsnahen
Preisvergleich durchgeführt und die besten aller Angebote mit den
günstigsten neuen verglichen – für mehr als 800 Reisen – jeweils
mit und ohne Plan & Spar-Sondertarifen, insgesamt also über 1600
Preisvergleiche. Je nach Personenkreis verändern sich die Preise teilweise
erheblich. Preistreiberei bei Interregio-Umwidmung, halber Bahncard-Rabatt.
Der Gipfel an Kundenferne sind bis zu 45 Euro Strafgebühren für
Fahrgäste, dien ihre Reisepläne kurzfristig ändern müssen.
So werden an Flexibilität gewöhnte Autofahrer, die als Umsteiger
gewonnen werden sollen, ebenso vergrault wie Stammkunden.“
Reaktion der Deutschen Bahn AG:
„Das insgesamt negative Urteil der Stiftung basiert auf Einzelbeispielen,
die bewusst ausgewählt wurden, um ein verzerrtes Bild zu zeichnen.
Und da ist es natürlich einfach, mit ein paar hundert Verbindungen
von insgesamt 22 Millionen möglichen Relationen ein negatives Ergebnis
herbeizutesten. Besonders peinlich wird das für die Tester, wenn sie
das auch noch mit Dingen vermengen, die mit dem neuen Preissystem nichts
zu tun haben, nur um zu möglichst schlechten Ergebnissen zu kommen.
So wurde die Abschaffung der Interregios bereits lange vor Einführung
des neuen Preissystems beschlossen und sukzessive umgesetzt.“