IGEB S-Bahn und Regionalverkehr
S-Bahn vor drastischen Angebotskürzungen?
Durch das (Eisenbahn-)Regionalisierungsgesetz (RegG) erhält das Land Berlin
seit 1996 vom Bund zweckgebundene Zuweisungen, mit denen es
schienengebundenen Personennahverkehr bestellt und Investitionen in den
Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) finanziert.
Für den laufenden Bahnbetrieb standen dem Land nach § 8 (1) RegG bis zum
Jahr 2001 jeweils 454 Millionen DM (rund 232 Millionen Euro) zur Verfügung,
für die in gleicher Höhe Zugleistungen bei der Berliner S-Bahn bestellt
wurden. Nach Vereinbarungen mit dem Land Brandenburg bestellte das Land
Berlin den kompletten S-Bahn-Verkehr einschließlich der Brandenburger
Abschnitte, während das Land Brandenburg umgekehrt auch die Berliner Anteile
im Eisenbahn-Regionalverkehr bestellte und bezahlte. Mittlerweile ist diese
Vereinbarung jedoch überholt. Berlin muss mit „seinen“
Regionalisierungsmitteln zwar nur noch den S-Bahn-Verkehr auf Berliner
Gebiet bestellen, dafür jedoch auch die in Berlin verkehrenden
Regionalexpress- bzw. Regionalbahnzüge.
Mit der Revision des RegG vom 26. Juni 2002 erhält Berlin für das Jahr 2002
einen auf 276,1 Millionen Euro erhöhten Betrag für den laufenden S-Bahn-
bzw. Eisenbahnbetrieb. Dieser Betrag erhöht sich in den Jahren ab 2003 (bis
2007) um jeweils 1,5 Prozent. Im Hinblick auf die finanziellen
Erhöhungsspielräume und auch durch Netz-Erweiterungen bedingt hat die
Berliner S-Bahn seit 2002 ‚freiwillige’ (nicht bestellte und nicht bezahlte)
Mehrleistungen erbracht. Auf Betreiben des derzeitigen Berliner
Finanzsenators Sarrazin ist jedoch auch in Zukunft nur ein Betrag von 232
Millionen Euro für den Eisenbahnverkehr im Land Berlin vorgesehen.
Die Erhöhungsbeträge will der Berliner Finanzsenator der Eisenbahn wegnehmen
und in voller Höhe für die Bestellung von U-Bahn- und Straßenbahnverkehren
bei den landeseigenen Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) nutzen. Dies würde
jedoch keinesfalls zu Angebotsausweitungen bei der BVG führen – vielmehr
sollen die beim Eisenbahnverkehr weggesparten Mittel für eine weitere
Reduzierung des landeseigenen Zuschusses an die BVG benutzt werden.
Wird die Entstehungsgeschichte des Regionalisierungsgesetzes betrachtet,
kann das Vorgehen des Berliner Senats nur als verantwortungslos bewertet
werden. Mit dem RegG sollte der Nahverkehr der Eisenbahn langfristig auf
eine sichere finanzielle Grundlage gestellt werden. Der Senat will einen
großen Teil dieser Mittel stattdessen de facto für die Haushaltssanierung
zweckentfremden.
Nunmehr soll die Senatsverkehrsverwaltung auf der Basis belastbarer Zahlen
mit der S-Bahn Berlin GmbH Verhandlungen über die Einsparungen führen. Der
Berliner Fahrgastverband hält die vom Finanzsenator angestrebten Sparsummen
jedoch für vollständig realitätsfern – Sparsummen dieser Größenordnung wären
seitens der S-Bahn nur durch drastische Verschlechterungen der
Bedienungshäufigkeit (zum Beispiel Wegfall aller HVZ-Verstärker, an
Sonnabenden und Sonntagen Bedienung nur noch im 20-Minuten-Takt) zu
erzielen. Schlimmer noch: Bei der für das Jahr 2007 vorgesehenen Überprüfung
des RegG ist angesichts der frivolen Senatspolitik anzunehmen, dass der
Bund und die anderen Länder eine Neuverteilung der Regionalisierungsmittel
zulasten Berlins durchsetzen werden.
Der Berliner Fahrgastverband IGEB hält es für selbstverständlich, das
finanzielle Mittel, die für die Eisenbahn bestimmt sind, auch für die Bahn
verwendet werden. Im Hinblick auf die ab 2006 (geplante Inbetriebnahme des
Fernbahntunnels in Berlin) erforderlichen Mehrleistungen im Regionalverkehr
der Eisenbahn sollten durch Verhandlungen mit der S-Bahn Berlin GmbH jedoch
finanzielle Spielräume dafür – und nur dafür – gewonnen werden.